Das Leben ist kein Retreat – Bali & der Müll
Ich stehe am lodernden Lagerfeuer einer prachtvollen Villa in Ubud, dem spirituellen Zentrums Balis oder der besser gesagt der Welt. Tantragöttinen, Yogis, Conscious Hustler, Weltenbummler und (Ex-) Promis treffen sich hier, um ein Leben zu führen, was erstmal einem Traum gleicht. Healing Cafes, Infinity Pools, Saunalandschaften in Reisfeldern, majestätische Villen…Ich habe das Gefühl in einem Film gelandet zu sein. Filmkulissen sind der Grund, warum so viele Menschen das Leben in Ubud lieben. Hier kann man spielen und muss ausblenden.
Heute spielen wir mit dem Feuer. Es ist die monatliche Full Moon Party. Ein Expat, der sich nach einem hinduistischen Gott benannt hat, ist der Feuermeister. Er sieht aus wie eine Mischung aus Rocky und einem Hippie, der gerade aus einer Höhle Indiens gekrochen ist. Er hat eine Krawatte um seinen Kopf und um seine Schultern gebunden, auf seiner Stirn thront ein roter Punkt. Eine Tika, das Segenszeichen der Hindus. Nachdem sein Helfer uns abgeräuchtert hat, um unsere schlechten Energien zu verjagen – bad vibes sind im Paradies nicht willkommen – bekommen wir nach und nach auch so eine Tika an unsere Stirn geparkt. In der tantrischen Richtung steht die Variante für Kraft. Sie schützt das dritte Auge, unser Energiezentrum.In der Eventeinladung auf Facebook steht, dass wir heute Abend unseren Spirit befreien sollen und unsere Talente ausdrücken. Aha. Gotts Helfer postet auf Instagram eins seiner Talente:„I can teach you to live like a king“. Auf dem dazugehörigen Foto sitzt er lasziv auf einem der luxuriösen Canapes. Ja man kann mit wenig Geld in Bali einen auf dicken Mäkkes machen und seine Passionen ausleben als Tantratarzan, Lebenscoach, Lebenskünstler jeglicher Art oder Influencer, dessen Aufgabe es ist, sich im Paradies auf Instagram in Szene zu setzen und perfekte Glanzbilder in die sozialen Netzwerke raus zu senden.
Damit wir lockerer werden, bekommen wir einen dickflüssigen Kakao gereicht. Dann laufen wir Händchenhaltend ums Feuer. Mit Menschen, die unsere brothers und sisters sind machen wir Augenkontakt und atmen dann nach einem bestimmten Rhythmus. Alles okay soweit. Ich habe auf meiner bisherigen Reise gelernt, dass Connection für uns Menschen wichtig ist. Natürlich ist das nicht leicht, auf fremde Personen zuzugehen, aber darum geht es ja, zu erkennen, dass wir alle Menschen sind und die meisten sich nach mehr Connection sehen. Also lasse ich mich ein. Beim Feiern in Clubs sind wir ja auch nach dem dritten Getränk offen und sprechen mit fremden Menschen oder stellen andere Dinge mit ihnen an. Hier braucht man nur ein Feuer, einen Kakao, ein paar gut gemeinte Floskeln und das Ausblenden von greifbaren Realitäten. Am Ende der Zeremonie fordert Gott uns auf, der Welt etwas zu wünschen. Einer nach dem anderen kommt ans Mikrofon: Man wünscht Liebe für alle. Frieden für alle. Ein junges Mädel wünscht sich, dass die ganze Welt Ubud ist und alle Menschen die Chance bekommen Healingwork wie am Fliessband zu machen. Dann wird noch der kränkelnden Natur gute Besserung gewünscht und man bläst die wishes into the holy fire.
Mein ganzer Körper fängt an zu zittern vor Wut. Denn seit ich in Ubud bin, höre ich immer wieder Floskeln und Wünsche für die Welt und sehe kaum Taten. Seit Wochen packe ich immer wieder Mal bei Trash Hero mit an. Freiwillige Helfer treffen sich einmal die Woche und räumen Müll weg. Der liegt überall herum, weil es kein reguläres Müllsystem gibt. Für uns in Deutschland kaum vorstellbar. Weil die Conscious Community ständig von ihrer Liebe zu Mutter Natur spricht, wundere ich mich, dass keiner zu den wöchentlichen Aufräumaktionen kommt, wo doch an den Strassenrändern so viel Müll herum liegt. Als ich zur Villa fuhr vorbei an Reisfeldern, verschlug es mir die Sprache. Zentimeterhohe Müllberge. Zwischen den Palmen, hinter den Warungs, den balinesischen Restaurants, Plastikmüll soweit das Augen reicht. An den Reisfeldern lümmeln Styroporboxen mit Pommes Ketchup Resten drin, Kühe versuchen die zu essen, also das Plastik und Styroporzeugs.
Die Bäche sind voll mit gefüllten Plastiktüten, was man littering nennt, einfach reinwerfen. Ein Balinese steht knietief im Wasser und versucht den Bach von Plastiktüten zu befreien, die sich ineinander verknotet haben wie ein Cuddle Puddle. Der Balinese gehört vielleicht mit zu den Menschen, die nicht wissen, wie schädlich Plastik ist. Aber wir Westler wissen es und fahren jeden Tag auf Bali dran vorbei. Ich jetzt erstmal auch, denn ich muss ja zur Full Moon Party.
Am Feuer werden wir aufgefordert den heiligen Rhythmus unseres Lebens zu tanzen und Gott sagt zu uns, dass wir mit unserer Anwesenheit Gleichheit und Balance in die Welt bringen. Ich stimme ihm damit so gar nicht zu. Wir sind nämlich zu viel(e) hier auf Bali. Bali bebt. Über fünf Millionen Touristen wollen ein Stück vom Paradies jedes Jahr und hinterlassen Berge an Müll. Wie bekommt man da mehr Bewusstsein rein? Ich erinnere mich an den grossen World Clean Up Day, der im September war. Auf Bali trafen Trash Hero und andere Organisationen sich an 12 Orten, einer davon war Ubud. Im Vorfeld wurde in den sozialen Netzwerken eingeladen mitzumachen auch in der Conscious Community Gruppe. Als ich morgens um sieben Uhr beim Treffpunkt ankam, ein Sportplatz im Zentrum Ubuds, standen vor mir mehrere hundert Balinesen. Aus den Lautsprechern lief laute Popmusik, alle machten zusammen Aufwärmübungen. Wir räumten auf, danach sprach ich mit dem Balinesen Gusfl Wedagama. Er ist Kunstlehrer und war mit seiner Klasse am Start. Wir gingen in ein einfaches Cafe, den Balicoffee konnte er sich aber nicht leisten. Ich zahlte gerne für uns beide. Er erklärte mir, dass die Götter keinen Plastik mögen. Ich hatte Tränen in den Augen, weil ich so viel Zusammenhalt und Power an diesem Morgen bei den Balinesen sah und Tränen in den Augen, weil niemand aus der Conscious Community zu sehen war, die doch Mother Nature so sehr liebt, die den Balinesen so dankbar ist hier jeden Tag so ein schönes göttliches Leben führen zu dürfen mit den ganzen Tag im Healing Cafe abhängen bei Love Bowls und Spirulina Smoothies und am Laptop arbeiten. Bali hat zwei Blasen. Balinesen & Touris/Expats. Sie finden kaum zusammen, hier wäre es eine Gelegenheit gewesen.
Nach der Aufräumaktion ging ich zum Workshop „Authentic Relating” – hier lernt man zu sagen, was wirklich Sache ist. Um 10 Uhr morgens ging es los. Als ich ankam, sollten wir uns vorstellen und beschreiben wie es uns geht. Ich war euphorisch und erzählte knallwach und happy von meinen Erlebnissen. Einer der Teilnehmer sagte zu mir: „Danke, dass du den Müll wegräumst, ich mache keinen Müll!“. Vor mir ein Yogalehrer, der wie ein Säugling auf seinem Bauch lümmelte. Mit Schlafzimmerblick linste er in die Runde und redete ganz laaaangsam. Dass er vor 30 Minuten aufgewacht ist und dass sein kleiner Zeh immer noch schläft, seine rechte Hand dagegen schon aktiv ist und er aber noch etwas Zeit zum Ankommen braucht. Ich finde es nicht schlecht, in sich Hineinzuhorchen und bewusster zu werden– aber das, was ich in Ubud erlebe, gleicht einem Theaterstück. Eine Amerikanerin fing an zu weinen, aber so, als wenn sie gerade bei einem Casting mitmacht und auf Knopfdruck was passieren muss. Sie heulte mit ihrem ganzen Körper. Dann bekam der Workshop etwas von einer Werbeveranstaltung. Werbung für die eigene Person. Ich sass in einer Gruppe mit drei Leuten. Auf die Frage: „Was würde ich über dich wissen, wenn ich dich richtig kennen würde“ antwortete einer, dass er super gut beim KnickKnack ist, eine andere, dass sie besonders gut im Knipsen ist, es ist die Fotografin des Events, was 300 Dollar kostete. Meine Freundin, eine Deutsche, die reich an Lebenserfahrung ist, verliess daraufhin den Workshop. Ihr Part wurde ersetzt durch den Workshopleiter. Er war aber nicht bei der Sache, weil er schon beim nächsten Event in London war, dass gerade vermeldete ausverkauft zu sein. Er jubelte. Und weil es so geil lief für ihn, forderte er von uns, dass wir ihm Affirmationen sagen, so dass er sich noch geiler fühlen konnte. Er wollte so etwas hören wie: „Du bist einmalig, du bist erfolgreich, du bist der tollste Kerl…you can do it!“ Oh no, ich schämte mich anwesend zu sein. Nicht nur meine Freundin, die die Flucht ergriff, fand das Seminar nicht gut, sondern auch ein Tänzer aus Ubud, der sich immer wieder in den kurzen Pausen bei mir beschwerte, er würde keine Connection zu den Leuten hinbekommen. Beim Endkreis, wo jeder sagte, wie er das Wochenende fand, haute er tatsächlich raus, dass er voller Liebe ist und Dankbarkeit und sich über die neuen Connections sehr freut.“ Ja gut. Musste ich wohl was missverstanden haben..Nicht. Authentic Relating ist ein tolles Tool, es gibt auch kleinere Events in Ubud, die gut sind, in Indien habe ich damit auch wunderbare Erfahrungen gemacht. Aber hier an diesem Wochenende ist es einfach nur schal und schräg. Nach den zwei Tagen wundert es mich auch nicht, dass einige Teilnehmerinnen auf der Strasse an mir vorbei gehen ohne zu grüssen. Das ist Ubud. Wüssten sie, dass ich fürs Radio arbeite, dann würden sie ganz anders mit mir umgehen. Aber ich lasse diese Information oft aus, weil es auf dieser Reise darum geht, mich als Menschen kennenzulernen und nicht ständig den Angebermodus anzuknipsen wie es andere hier tun. Fast jeder hat was auf Youtube zu sagen, und immer ist alles so amazing.
Amazing wirkt die Bubble, die für Touristen und Expats in Bali kreiert wurde. Wenn zum Konzert in einem der prachtvollen Healing Cafes geladen wird, gibt es ein Schaulaufen, dass dem der Pariser Fashion Week gleicht. Man kann Star spielen, denn die Balinesen tun alles dafür, dass man sich so fühlt. Ich sass in den traumhaftesten Kulissen und habe in meiner Zeit auf Bali viel beobachtet. Ich sah hinter den lächelnden bedienenden Balinesischen Gesichtern viel Irritation: „Wie der Matcha Tee ist nicht grün genug?“
Das, was auf Bali passiert, ist moderner Kolonialismus. Es ist ein Spaziergang zwischen Reisfeldern, Tempeln, Beaches, Infinity Pools, Opening Parties, Kokosnüssen und Hängematten. Ich bin nicht die einzige, die das so sieht. Ich spreche mit DJ Kamau, der seit 14 Jahren in Bali lebt.
Er gehört zur Community und beschreibt wie die Stadt im Dschungel damals war. Ein ruhiger Ort für Kreative. Maler, Autoren, Tänzer lebten hier. Es war überschaubar, jeder kannte sich und war der balinesischen / indonesischen Sprache mächtig. Heute ist Ubud zwar immer noch kulturelles Zentrum Balis, aber vom Tourismus und von Expats überrollt: DJ Kamau sagt:
“People try to move to places where they can have a better life. Unfortunately for many people coming from Western nations relative to the other places of the world is a better life to go and live an extravagant life. I don’t say that there is anything wrong with that person, but it becomes a problem when you go and you exploit and you are going to a place and you are just buying things, invite your friends over and they buy stuff and you never really give anything to the place that you go to. And for me that is near colonialism. When you come in and you care less about the actual people and their situation and their daily life and you impose your way of life onto that place, that is near colonialism. Many people are doing that. And particularly now it is so easy to do that with the internet, many local speak English now, so you don’t even have to learn the language and you don’t have to interact with any Balinese people, except to pay a bill or something right? Yes it is near colonialism and exploitation and the island is suffering, because of that. A lot of the local people they want money, they believe they need money in order to do this and since banks are coming in and taking out loans they are in dept with bank and wanna make more money which causes more problems. And they wanna build more stuff which invites more people and pollute more rivers. It is a big snowball and it takes a lot of holistic education to go both ways between people who are coming in, because they are promoting people to come. Tourism is the biggest sector of the economy, so it is okay people to come in, but what are they coming to? Are they coming in appreciation for the culture to learn, to connect, to make barns, to support or to come to exploit to take take take? I say to people when you come and stay – what do you offer? Make true connection, friends and family, be in involved in a place you moved to. It is really important what do you have to offer. Every day the Balinese make offerings as part of the nature and the culture of this island. So people who come here what do you offer? What do you present what can be a benefit for the place not only in a financial way, but can benefit culturally here. And I don’t mean culturally trying to make them like you, but just giving something that can explain the awareness of the beauty they already have and how to keep that going and how to take that beauty that is already here into the future. As oppose to say you need to be like western society, or saying you just need to serve me, drive me to the temple, bring me my motorbike.”
Ich denke an Kadek. Ich lernte sie kennen, weil sie jeden Tag vor dem berühmten Yoga Ort steht. Sie ist 16 Jahre jung, geht zur Schule und nebenbei fährt sie Yoginis mit ihrem Scooter durch die Stadt. Das Geld braucht sie um ihren Traum zu verwirklichen. Sie möchte nach Amerika und dort als Kellnerin durchstarten. Damit könne sie ihre Familie stolz machen. Sie und ihre Familie finden, dass das ein guter Plan ist. Kadek fährt jeden Tag Moped und ich möchte von ihr wissen, wie sie behandelt wird. Ich erfahre von ihr, dass viele Ladies in Yogipants und Namasteshirts auf die harte Tour stehen: „They are not nice at all. They are rude to me”. Das schockiert mich. Das Verhalten ist das Gegenteil von der Yoga Philosophie mit Loving Kindness. „Loving kindness ist in Ubud eine Floskel“, sagt mir eine Frau, die schon viele Jahre hier lebt, „Jeder ist so sehr mit sich selbst beschäftigt, mit seiner Heilung und mit Business machen, dass Loving Kindness hier kaum Platz habt“. Ich merke das auch in vielen Situationen. Statt Loving kindness kommen einem oft aufgeblasene Egos entgegen. Das sieht auch eine angesagte indonesische Yogalehrerin. Sie hat den Wandel in den letzten Jahren zu spüren bekommen. Während wir sprechen, drehen neben uns schon wieder einige Pocahontas Youtubevideos: „Hellooooo from Baliiiii, it is so amazing here!“. Sie erklärt mir: Yoga sei eine innere Reise und keine äussere, und warnt davor, dass alles in Ubud zur Show wird:
„You know in digital era, everything has become like Oh I wanna take a selfie, Oh I wanna get sweaty. Oh I wanna get this pose now, because I wanna put it in Instagram, because I wanna put it in Instagram, because I wanna people like my Instagram. It is really not in the ancient perception of yoga, it is just about an image.“
Es geht um das Image in Bali. Und so werkelt man eben im Aussen herum. Immer mehr Hotels werden errichtet und Villen gebaut. Am Surferort Canggu, der in den letzten Jahren übervoll wurde, protzen fette VIP Beachclubs am Meer, es gibt es Hotels, die im Balinesischen Charme errichtet sind, wo ein Zimmer pro Nacht 450 Euro kostet. In Ubud schlängeln sich in den Reisfeldern Resorts mit Zimmern ab 900 Euro die Nacht. Eine Luxusboutique reicht sich an die nächste und dazwischen fährt ein Balinese mit Süppchen herum für die Einheimischen. Er klingelt und hält an und am Gehweg isst man dann.
Daneben steht eine junge Balinesin in einer Swimwear Boutique. Die Klimaanlage ist auf Anschlag, sie niest und schaut leblos vor sich hin. Sie muss Bikinis verkaufen, die 100 Euro kosten. Das ist die Hälfte ihres Monatsgehalts. Eine alte Dame mit einem Handtuchturban auf dem Kopf, abgemagert und überfordert verkauft am Gehweg vor Starbucks Holzäffchen und Fächer gegen die Hitze.
Touris laufen mit elektrischen Handventilatoren und Plastikbechern gefüllt mit Latte to go an ihr vorbei. Geht die Balinesin nach der Arbeit nach Hause wartet auf sie in der Regel ein dunkler Raum, modrig und mit einer Matraze am Boden. Es gibt Expats, die helfen, wie gerade die Besitzer eines Eventhauses. Sie kauften balinesischen Kindern neue Matratzen. Das ist ein Anfang, etwas zurückzugeben und wenn es nur ein Minimum ist, etwas gegen Ungleichheit zu tun. Während die einen Matratzen spenden, denken die anderen schon wieder darüber nach noch mehr Disneylandfeeling für Expats nach Bali zu bringen. Ich bin auf einem Mantrakonzert in majestätischer Kulisse eines berühmten Sängers. Um uns herum puffriger Rasen und duftende Blumen. Nach dem Konzert verkündet dieser stolz, dass ein luxuriöser Teetempel errichtet werden wird für die Community zum Austausch bei Tee. Das mit dem Austausch ist ja nicht so einfach. Das muss man ja erstmal in Workshops lernen. Ich erinnere mich an eine Szene mit Gott. Ich traf ihn auf dem Weg zum Ecstatic Dance. Er fragte mich, wie es mir geht. Ich erlaubte mir nicht mit amaziiiiiiiiing zu antworten, sondern mit Achterbahn. Ob er das kenne, wenn die Befindlichkeit schwankt? Er so: „No, oh I forgot to buy some chocolat“. Und weg war er. Beim Tanzen stellte ich fest, dass die Musik an dem Morgen mich nicht catchte. Ich setzte mich neben meine Bekannte aus Amerika. Sie flüsterte mir zu, dass es ihr heute nicht gefällt. „Mir auch nicht, ist ja kein Beinbruch“, erwidertee ich. Nach dem Tanz fragte uns ein Coach für Herzensangelegenheiten, wie wir die Sause fanden. Sie so: „Amaziiiing!“ Ich gucke verwundert und sage: „Hmm, ich mochte die Musik heute nicht“. Er erschreckt sich über meine ehrliche Aussage. Die Amerikanerin versucht seinen Schock abzufangen und fragte ihn, ob er mit uns Mittagessen möchte. Er ruderte herum, dass er noch auf wen warte und es nicht ganz genau wisse… Wie gingen ohne ihn zum Buffet und dann konnte sie endlich erzählen, dass ihr der Tanz auch so gar nicht gefiel.
Es gibt in Ubud natürlich auch wunderbare, ehrliche, echte Menschen. Yogalehrer, Coaches und Künstler. Die sind aber eher leise. Wie auch der Maler Jati. Ich wohnte einen Monat in seinem Homestay, der an einem Stück Grünstreifen ist. Oben im Haus ist sein Atelier. Hier malt er seit 60 Jahren jeden Tag Frauen, Rehe und Natur. Er erzählte mir, dass er das Haus nicht mehr verlässt, da alles um ihn herum zubetoniert wird und er den Anblick nicht erträgt. Sein Sohn dagegen findet Tourismus toll. Er hat längst neben dem Homestay ein Cottage mit Pool eröffnet und liebäugelt damit den letzten Grünstreifen plattzumachen, um noch ein Hotel hinzustellen. Wir schauen auf das noch freie Stückchen grün. Hinter den Palmen schimmert ein Pool. Auf einer Mauer steht ein junger Tourist. Er macht eine Arschbombe ins Wasser und lässt sich von seinen Buddies dabei abfeiern. Jati sagt: „I am also sad to see, because grow up you know. Modern modern like this, you know, first it was not like this. It was ricefield. Now here everywhere is concrete. Hotel… Of course young men they like it like this. That is why I am just quiet.“
Ich musste Jatis Homestay verlassen, weil die Hochsaison begann und meine Monatsmiete auslief. Sein Sohn fragte mich nicht, ob ich bereit wäre mehr Geld pro Nacht zu zahlen, stattdessen behauptete er, seine Zimmer seien ausgebucht. Das stimmte nicht, jedoch verliess ich ohne Widerspruch den Homestay, um mir noch einen weiteren anzusehen. Hier war die Familienmutter immer auf Anschlag. Sie weinte. Gäste, die gebucht hatten, kamen nicht, weil sie festsassen auf einer anderen Insel. Es war wieder Sturm. Die Familie hat einen Kredit aufgenommen, für den Pool, wo vorher noch ein Fischteich war. Pool müsse sein, denn die Nachbarn haben längst einen und der würde mehr Gäste anziehen. Ich blieb hier zehn Tage. Nicht ein einziges Mal in dieser Zeit badete jemand im Pool. Bali ist voll mit Pools. Jede Popelvilla hat einen und das in einer Welt, wo Wasser endlich ist. 2025 werden geschätzt 9 Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben und mit 40 Prozent des uns heute zur Verfügung stehenden Wassers auskommen müssen.
Lenica, die als Yogalehrerin ein beschauliches Leben in Amed führt, einen Ort, den ich wegen seiner Bescheidenheit noch empfehlen kann, sagt zu mir, dass so ein Luxus verboten werden sollte. Sie hat recht. Balis Lage ist brisant. Immer mehr Blogger, Digital Nomaden, Influencer und Lifecoaches leben hier und verbrauchen Ressourcen. Weil es auf Bali warm ist, laufen Klimaanlagen für die Westler auf Hochtouren und man duscht gerne drei Mal am Tag. Laut der Bloggerin Ute Kranz @bravebirdsblog verbraucht die Tourismuswirtschaft auf Bali 65 Prozent des auf der Insel verfügbaren Wassers. Der Tourismus nimmt den Bauern und ihren (Reis) feldern das Wasser weg. Reisfelder weichen Villen und Hotelanlagen. Die Bauern müssen dann irgendwie als Tourismussklaven überleben. Und z.B. in einer der Wahnsinnssaunalandschaften arbeiten. Hier sind Pools randvoll mit Rosenblüten gefüllt. Nebenan ist ein Bach, in dem sich Balinesen waschen. Als ich das sehe, verlasse ich die Sauna. 1,7 Millionen Balinesen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Eine angesagte Reisebloggerin mit Millionen Followern veröffentlicht ein Video, das Bali als das billigste Paradies auf Erden bewirbt. Sie fordert die ganze Welt auf herzukommen: „Come to Baliiiii!!!!!“ brüllt sie in die Kamera! – Hier geht es zum Video. Und damit zieht sie Peoples an, die just fun haben möchten und am besten kostenlos. Schön nackig Moped fahren, am Beach abhängen mit laut Mukke, einer Balinesin im Rücken, die für 5 Dollar rumknetet, während man einen Papayashake mit Plastikstrohhalmen einhaucht. Mich hat das fertig gemacht. Ich mischte mich in sozialen Netzwerken ein, bemerkte, dass Bali kein Wonderland ist und 1500 Menschen schrieben zurück, dass mehr Bewusstsein für die Natur Balis geschaffen werden muss. Bali ist verletzlich. Wenn immer mehr und mehr Horden dort einfallen, war es das mit dem Paradies. Der Mensch zerstört, was er entdeckt und liebt. Viele Balinesen bitten um Hilfe, dass der Tourismuswahnsinn mal runterkommt. Ich mutierte auch zum selbstgerechten borstigen Kaktus, der es auf Strohhalmtäter/-innen absah.
Am Strand von Canggu, wo die Partymeute abhängt, sammelte ich mit Trash Hero zusammen in zwei Stunden 300 Kilogramm Müll auf. Als ich nach dem Clean Up mit einem Tauchlehrer Pommes ass, schimpfte er auf die Welt, auf die, die nicht mithelfen, die unachtsam Bali bereisen, auf mich und auch ihn, weil wir auch da sind und mit den Moped zum Clean Up gekommen sind, was auch wieder der Umwelt schadet. Wir alle seien zu viel für das Ökosystem Balis und das unserer Erde. Ich bin ratlos und oft nur noch fertig. Wir sind alle schuldig. Scheiss Plastik.
Dann entdeckte ich das Buch “The world we have – a buddhist approach to peace and ecology” von dem vietnamesischen Mönch Thich Nhat Hanh. Er schreibt, dass es schwer ist nicht zu verzweifeln, dass man es aber schaffen muss friedlich zu bleiben. Immer. Auch wenn vor einem vollgeschissene Babywindeln, Flip Flops und Zahnapastatuben am Strand rumliegen. In Canggu ist die Trash Hero Bewegung aktiv. In Ubud fehlt es wie schon erwähnt an Leuten, die mit anpacken. Hier halten zwei Balinesinnen die Stange. Ich habe immer wieder mal eingeladen am Ende von Events wenn man andere Events ankündigen darf. Das Free Event gemeinsam Müll aufzusammeln, sorgt für Knitterfalten in den Gesichtern der Tantradancer. Und während ich urteile, gestehe ich, dass auch ich zwei Monate lang nicht mit aufgeräumt habe. Warum? Weil mich der Anblick von all dem Theater gelähmt hat. Ich sass schlecht gelaunt und, ja, genauso egozentrisch, wie die, die ich kritisiere, unter meiner Palme. Thich Nhat Hanh schreibt: „We have to heal ourselves first, before we can heal the planet”. Dazu gehört auch Mitgefühl zu haben mit dem Scheiss, den wir alle fabrizieren. Meinen Zeigefinger und meine Wut kann ich mir sonst wo hinschieben. Ich frage mich: „Was sagen unsere innere Landschaften über die äusseren aus?“. Mir geht ein Licht auf: In Ubud kommen viele zur Heilung. Sie sind damit beschäftigt ihre inneren Landschaften aufzuräumen. Bei Menschen, die nur wenige Wochen da sind verstehe ich, dass sie keinen Sinn für echten Müll haben. Aber die, die schon so lange auf Bali leben und längst andere coachen und heilen wollen, die könnten doch mal mit anpacken. Denn sie müssten doch inzwischen besser connected zu sich selbst sein und somit auch zu den Mitmenschen und der Umwelt. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass das mitanpacken Freude bringt. Es bringt einen aus dem Selbstoptimierungswahn raus, und aus dem Egozentrismus, der ungesund werden kann. Das sehe ich an westliche „Heilerinnen“, die immer wieder hinter mir herrennen und mir ein Retreat nach dem nächsten aufschwatzen wollen, dabei aber selber aussehen als müssten sie dringend zur Kur. Nein Leute, ehrlich: Das Leben ist kein Retreat!
Ich nehme beim Jahrestreffen von Trash Hero teil. Die Königsfamilie von Ubud empfängt uns. Der König hält eine Rede, droppt dabei Sätze in sechs Sprachen und sagt auf deutsch zu mir: „Das nächste Mal wenn du kommst, ist Bali ohne Plastik“, er ergänzt auf englisch: „I am very proud with the movement with Trash Hero international. I mean, we need certain people to move and to motivate, because we are scared that the world could be covered soon by plastic by stuff that cannot be recycelt, in the sea we could not see – under the water it is full of trash, so sad. In the nature, we can see it and we can clean it, but we need to educate people, sometimes trash just moves along the street and there is plasticbag moving around because of the wind you know I try to motivate: Why don’t you take it, why don’t you collect it?“ Danach setzte er erste Plastikverbote durch. Keine Plastiktüten mehr und die Coachingfamilie, die im selben Guesthouse wie ich in Canggu wohnte, bekommt ab sofort ihr drei Mal am Tag angeliefertes Essen bestehend aus Pancakes, Melone und einem Ketchuptütchen, das immer ungeöffnet im Müll landet, nicht mehr in den weissen Styroporboxen. Vielleicht kommt sie ja mal auf die Idee selbst etwas in der schicken neuen Küche des Guesthouses zuzubereiten, schliesslich ist sie Ernährungscoachin.
Als ich die Strasse zur prachtvollen Villa in Ubud entlang fuhr war ich sprachlos über die Menge des Mülls. Er glich einem Rosenmontagszug, der gewütet hatte. Stunden später am Feuer finde ich meine Worte wieder. Ich stelle mich auch in den Kreis und erzähle, was ich sah und lade alle ein Mama Bali aufzuräumen. „Wenn ihr Bali so liebt, dann lasst uns aktiv werden und mit Trash Hero einen Clean up auf der Strasse zur Villa veranstalten“. Alle brüllen den Schlachtruf JAYA!, was soviel bedeutet wie JAWOHL! Dann geht es rüber zum Ecstatic Dance. Eine Woche später ist es soweit. Ein Clean Up. Keiner erscheint…. Zu viel Müll.
Schreibe einen Kommentar